http://www.incadat.com/ ref.: HC/E/AT 564 [15/12/1992; Oberster Gerichtshof (Austria); Superior Appellate Court] 1Ob648/92, Oberster Gerichtshof, 15/12/1992

Kopf:

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspr�sidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofr�te des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin I.G., vertreten durch Mag.DDr.Ingeborg Sch�fer-Guhswald, Rechtsanw�ltin in Wien, wegen R�ckgabe der mj. Kinder K.T., und C.T., infolge Revisionsrekurses des Vaters S.T., vertreten durch Dr.Eva Maria Barki, Rechtsanw�ltin in Wien, gegen den Beschlu� des Landesgerichtes f�r Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22.September 1992, GZ 44 R 528, 529/92-46, womit dem Rekurs des Vaters gegen die Beschl�sse des Bezirksgerichtes Favoriten vom 15.Juni 1992, GZ 6 Nc 89/91-32,33, nicht Folge gegeben wurde, in nicht�ffentlicher Sitzung den Beschlu� gefa�t:

Begr�ndung:

Mit Beschlu� des Rekursgerichtes vom 3.2.1992, 44 R 6/92-23, best�tigt mit Beschlu� des Obersten Gerichtshofes vom 24.4.1992, 1 Ob 550/92-28 = EvBl. 1992, 144, wurde aufgrund des �bereinkommens �ber die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentf�hrung, BGBl. 1988/512 angeordnet, da� die beiden minderj�hrigen, beim Vater in �sterreich befindlichen Kinder der in Ungarn wohnhaften Gro�mutter I.G. sofort zur�ckzugeben seien. I.G. wurde erm�chtigt, die Kinder aus �sterreich abzuholen. Die Entscheidungen st�tzten sich insbesondere darauf, da� mit Beschl�ssen des Rates des XIII.Stadtbezirkes der Hauptstadt Budapest betreffend die vorl�ufige �bertragung des Sorgerechtes f�r die mj. C.T. und Bestellung eines Vormundes vom 23.4.1990, Nr.1480/9/1990, und f�r den mj. K.T. vom 24.4.1990, Nr.III 1480/8/1990, das Sorgerecht auf die m�tterliche Gro�mutter I.G. bis zur Rechtskraft in dem beim Zentralen Stadtbezirksgericht Pest wegen der �bertragung des Sorgerechtes auf eine dritte Person anh�ngigen Prozesses vorl�ufig �bertragen wurde. Sie wurde gleichzeitig zum Vormund der Kinder bestellt. Weiters wurde festgestellt, da� das elterliche Aufsichtsrecht ruhe. Eine endg�ltige Entscheidung �ber die �bertragung des Sorgerechtes ist bisher noch nicht erfolgt.

Aufgrund dieser Entscheidung beantragte die m�tterliche Gro�mutter, gem�� � 19 Au�StrG geeignete Zwangsma�nahmen zur �bergabe der Minderj�hrigen zu setzen. Der Vater wiederum beantragte am 11.6.1992, Vollstreckungsma�nahmen nach � 19 Au�StrG oder nach der Exekutionsordnung zu verweigern und festzustellen, da� eine Vollstreckung der Entscheidung, mit der die R�ckgabe der Kinder angeordnet wurde, vorl�ufig nicht durchzuf�hren sei. Er begr�ndete diesen Antrag damit, das Pester Zentralbezirksgericht habe mit Urteil vom 20.2.1992, 23 P 111.057/1990/30, die gegen ihn und seine geschiedene Gattin gerichtete, auf �nderung der Unterbringung der Kinder lautende Klage des B�rgermeisteramtes Budapest XIII abgewiesen. Dieses Urteil sei allerdings noch nicht rechtskr�ftig; �berdies sei in einem von den Eltern gegen die Gro�eltern eingeleiteten Vollstreckungsverfahren von den Gro�eltern am 11.4.1991 anerkannt worden, da� die Kinder Ende Juli 1991 in die Obsorge des Vaters zu �bergeben seien. Die �bergabe sei aber auch deshalb unzul�ssig, weil sie mit der schwerwiegenden Gefahr sowohl eines k�rperlichen als auch seelischen Schadens f�r die Kinder verbunden w�re, die R�ckgabe sei zum gegenw�rtigen Zeitpunkt f�r die Kinder unzumutbar.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und trug dem Vater auf, die beiden Kinder am 22.6.1992 dem Jugendamt f�r den 16.Bezirk zu �bergeben. Das vom Vater vorgelegte Urteil des Pester Zentralbezirksgerichtes vom 20.2.1992, das ihm nach seinen Angaben erst nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zugestellt worden sei, sei laut Auskunft des Bundesministeriums f�r Justiz nicht rechtskr�ftig, soda� auch daraus keine andere Sach- und Rechtslage abgeleitet werden k�nne.

Das Rekursgericht gab den gegen diese Beschl�sse erhobenen Rekursen des Vaters nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs erkl�rte es f�r zul�ssig. Die Argumentation des Vaters gehe an der Zielrichtung des Abkommens vorbei, Kinder so rasch wie m�glich dem Obsorgeberechtigten zur�ckzustellen. Es sei im R�ckgabeverfahren nicht zu pr�fen, ob der Vater f�r die Kindererziehung geeignet sei und ob die R�ckgabe dem Wohl des Kindes entspreche, wenn keine entsprechenden Einw�nde gem�� Art.13 des Abkommens erhoben worden seien. Die Entscheidung des Pester Zentralbezirksgerichtes vom 20.2.1992 sei vom Erstgericht zu Recht nicht als ma�geblich ber�cksichtigt worden. Den Inhalt des Protokolls vom 11.4.1991, aus dem sich ergibt, da� der Gro�vater m�tterlicherseits sich bereiterkl�rt habe, die Kinder nach Ende des Schuljahres 1991 freiwillig an die Eltern auszufolgen, w�re f�r das R�ckgabeverfahren ma�geblich gewesen, w�re diese Tatsache im Sinn des Art.13 lit.a des �bereinkommens eingewendet worden. Eine der Antragstellerin zurechenbare Zustimmung zur Ausfolgung der Kinder, die sie dem Vater zur�ckgebracht habe, h�tte die ma�geblichste Voraussetzung f�r eine R�ckf�hrung der Kinder, n�mlich die rechtswidrige Entf�hrung, beseitigt. Dieser Einwand sei aber nicht erhoben worden, soda� er nicht ber�cksichtigt habe werden k�nnen. Selbst bei Zul�ssigkeit einer Wiederaufnahme im Verfahren au�er Streitsachen, wie sie im konkreten Fall bei der durch das �bereinkommen stark eingeschr�nkten Kognition der Gerichte zumindest diskutabel w�re, l�ge bei analoger Anwendung der Bestimmungen der ZPO �ber die Wiederaufnahme kein Wiederaufnahmsgrund vor, weil die ma�gebliche Tatsache der Zustimmung sich bereits am 11.4.1991, somit lang vor Antragstellung ereignet habe; da auch die Urkunde dar�ber bereits existiert habe, k�nne das Behauptungsdefizit des Vaters nicht dadurch wettgemacht werden, da� Neuerungen nun im Vollstreckungsverfahren ber�cksichtigt w�rden. Ebenso sei es unzul�ssig, das Kindeswohl im Vollstreckungsverfahren zu ber�cksichtigen, dessen Pr�fung dem Gericht sogar im Verfahren �ber die R�ckgabe nur sehr eingeschr�nkt m�glich sei (Art.13 lit.b des �bereinkommens). Erst die bisher noch nicht eingetretene Rechtskraft der Entscheidung des Pester Zentralbezirksgerichtes vom 20.2.1992, 23 P 111.057/1990/30, lie�e die Aktivlegitimation der Gro�mutter m�tterlicherseits wegfallen, da ihr die vorl�ufige Obsorge nur bis zu diesem Zeitpunkt zuerkannt worden sei. Das Rekursgericht erachte es zwar f�r zul�ssig, im Rahmen der gem�� � 19 Au�StrG zu setzenden Ma�nahmen das Kindeswohl so weit zu ber�cksichtigen, als es auch im Hauptverfahren zu ber�cksichtigen w�re, doch m��te auch hier der sich der R�ckgabe Widersetzende beweisen, da� die R�ckgabe mit einer schwerwiegenden Gefahr eines k�rperlichen oder seelischen Schadens f�r das Kind verbunden sei oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage gebracht werde. Solche Behauptungen f�nden sich weder im Antrag des Vaters, eine Vollstreckung des R�ckgabebeschlusses f�r unzul�ssig zu erkl�ren, noch in dem gegen die abweisende Entscheidung erhobenen Rekurs. Es l�gen daher keine gegen die Durchsetzung der R�ckgabeentscheidung sprechenden rechtserheblichen Gr�nde vor.

Rechtssatz

Der Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt.

Das �bereinkommen �ber die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentf�hrung, BGBl. 1988 Nr.512, enth�lt keine Regelung, wie die angeordnete R�ckgabe des Kindes vom ersuchten Staat durchzuf�hren ist. Da grunds�tzlich jeder Staat nach seinen Gesetzen vollstreckt (EFSlg. 42.373), hat auch der Vollzug von Ausfolgungsbeschl�ssen aufgrund des genannten �bereinkommens nach innerstaatlichem Recht allerdings mit den sich aus der Zielsetzung des �bereinkommens ergebenden Modifikationen zu erfolgen.

Wie die RV 471 BlgNR 17.GP 7 zum Bundesgesetz vom 9.6.1988 zur Durchf�hrung des �bereinkommens vom 25.10.1980 �ber die zivilrechtlichen Aspekte internationaler indesentf�hrung (BGBl. 1988 Nr.513) ausf�hrt, wird das Pflegschaftsgericht, sofern der Anordnung der R�ckgabe des Kindes keiner der in den Art.13 und 20 des �bereinkommens genannten Gr�nde entgegensteht, die Entscheidung im au�erstreitigen Verfahren durchzusetzen haben, wobei die Wahl der Mittel dem Gericht �berlassen bleibt. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist bei der Abnahme von Kindern mit Zwang zu bedenken, da� m�ndige Kinder selbst�ndige Rechtssubjekte sind, also nicht Exekutionsobjekte, sondern selbst Partei. Hier ist aber darauf hinzuweisen, da� der Umstand, da� sich das Kind der R�ckgabe widersetzt, bereits im Verfahren zur Entscheidung �ber die Anordnung der R�ckgabe - unter besonderer Bedachtnahme auf das Alter und die Reife des Kindes - zu ber�cksichtigen ist (Art.13 Abs.2 des �bereinkommens). Soweit - abgesehen von der behaupteten Verletzung des Kindeswohles - der Vater Einwendungen aus dem Titelverfahren wiederholt, nachholt oder sogar die Richtigkeit der Entscheidung des erkennenden Senates vom 24.4.1992, 1 Ob 550/92, bek�mpft, ist dies auch in einem nach � 19 Au�StrG durchgef�hrten Vollstreckungsverfahren unzul�ssig, soweit sich nicht die Sach- oder Rechtslage nach Erlassung des vollstreckbaren Titels ge�ndert hat. Der Sache nach w�re dem Revisionsrekurswerber zu erwidern, da� die erw�hnten Beschl�sse des Rates des XIII.Stadtbezirkes der Hauptstadt Budapest selbst nach seinen Darlegungen weiterhin aufrecht sind und die Kinder nicht etwa aufgrund einer Entscheidung ungarischer Beh�rden oder einer Vereinbarung der Eltern mit den Gro�eltern, sondern gegen den Willen der Antragstellerin nach �sterreich verbracht wurden.

Ob das Kindeswohl der R�ckf�hrung entgegenstand, ist, wie bereits in der Entscheidung vom 24.4.1992, 1 Ob 550/92, dargelegt wurde, nicht von Amts wegen, sondern nur �ber Vorbringen der Person, die sich der R�ckf�hrung widersetzt, zu pr�fen. Das Ziel des �bereinkommens ist unter anderem die Sicherstellung der sofortigen R�ckgabe widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachter oder dort zur�ckgehaltener Kinder (Art.1 lit.a des �bereinkommens). Das �bereinkommen strebt die Wiederherstellung der urspr�nglichen Tatsachenverh�ltnisse in einem eng formalisierten Schnellverfahren unter weitgehender Ausblendung von Rechtsfragen an. Auf das Kindeswohl kann daher bei Vollzugsma�nahmen nach � 19 Au�StrG nur dann Bedacht genommen werden, wenn zwischen der Anordnung der R�ckf�hrung und den Vollstreckungsma�nahmen eine �nderung der Verh�ltnisse eingetreten w�re. Der Revisionsrekurswerber behauptet weder eine solche �nderung der Verh�ltnisse noch kann er �berhaupt eine Gef�hrdung des Kindeswohles aufzeigen. Eine Beeintr�chtigung des Kindeswohles erblickt er darin, da� die Kinder aus der bisherigen Umgebung herausgerissen w�rden und insbesondere in ihrem schulischen Fortgang gehemmt werden; auch sei eine endg�ltige Sorgerechtsentscheidung in Ungarn noch nicht erfolgt. Gehe diese zu seinen Gunsten aus, w�ren die Kinder wieder an die Eltern auszufolgen. Dem ist zu erwidern, h�tte der Vater den Beschlu� vom 24.4.1992 befolgt, h�tten die Kinder bereits in Ungarn das neue Schuljahr beginnen k�nnen. In eine allenfalls nachteilige Situation kamen die Kinder daher ausschlie�lich durch das rechtswidrige Verhalten des Vaters. Gegen die Erziehungsverh�ltnisse bei den Gro�eltern hingegen kann der Vater nichts einwenden, f�hrt er in seinem Rechtsmittel doch aus, die Kinder w�rden die Gro�eltern in Ungarn gern besuchen. Da die Kinder bereits vor rund 1 � Jahren widerrechtlich nach �sterreich verbracht wurden und im Heimatstaat noch immer eine endg�ltige Entscheidung �ber das Sorgerecht nicht erging geschweige denn absehbar ist, wie diese ausfallen wird, ist der Vater darauf hinzuweisen, da� letztlich ein wiederholter Wechsel des Aufenthaltsortes der Kinder innerhalb einer kurzen Zeitspanne ausschlie�lich auf die von ihm gesetzten widerrechtlichen Ma�nahmen zur�ckzuf�hren w�re.

Da der Vater ohnedies die R�ckf�hrung der Kinder nach Ungarn zu vereiteln bestrebt ist, ist es unerheblich, da� zwischen der Zustellung des �bergabsauftrages der Kinder und dem Termin der R�ckgabe nur wenige Stunden lagen.

Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

Art.26 Abs.4 des �bereinkommens sieht Kostenersatz nur f�r den obsiegenden Antragsteller, aber nicht f�r die Personen vor, die sich der R�ckgabe der Kinder widersetzen.


      [http://www.incadat.com/]       [http://www.hcch.net/]       [top of page]
All information is provided under the terms and conditions of use.

For questions about this website please contact : The Permanent Bureau of the Hague Conference on Private International Law